Der Schleswig-Holsteinische Kanal / Eiderkanal - Rathmannsdorf

Kulturlandschaft-historisches Gutachten von Barbara Runtsch, Hamburg, September 2001



Auswirkungen auf das Umland
Die Auswirkungen des Kanals auf die im Randbereich liegenden Güter sind in der Schilderung der Diskussion um die Lösch- und Ladeplätze schon angesprochen. Zudem führte der Verlust der Eider selbst als regionaler Schifffahrtsweg zu Beeinträchtigungen des Gutsbetriebes. Vor allem die Güter westlich des Flemhuder Sees hatten bis zum Kanalbau eine Vielzahl ihrer Waren mit Prähmen auf der Eider nach Rendsburg transportiert. So konnte 1785 beispielsweise Holz, aus den Sehestedter Wäldern von Rendsburger Holzhändlern nicht mehr abtransportiert werden, da die Eider als Folge des Kanalbaus stark verkrautet und versandet sowie die Einmündung der Eider in den Kanal für die Holzprähme nur sehr mühsam passierbar war. (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.36f)

Aber auch der Zerschneidungseffekt der neuen Kanaltrasse hatte insbesondere dort, wo zwischen Königsförde und Kluvensiek die große Eiderschlaufe abgeschnitten und ein völlig neuer Gewässerlauf entstanden war, negative Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation der Güter.
Mit der Zeit wurde aber auch auf den Gütern positiver Nutzen aus dem Kanal gezogen. So entwickelte sich beispielsweise der Lösch- und Ladeplatz an der Kluvensieker Schleuse zu einem durchaus bedeutenden Faktor. Auch lernte man mit der Zeit direkten Nutzen für die Landbewirtschaftung aus dem Kanal zu ziehen (vgl. Kap. 3.1.3).

Rendsburg war vor dem Bau des Kanals wichtiger Handelsumschlagplatz, da hier Frachtgüter, die auf dem Landweg von Eckernförde kamen, an der Rendsburger Schiffbrücke verladen wurden, mit dem Kanalbau entfiel diese Funktion. Die Stadt profitierte kaum vom Kanalbau, zumal alle kanalbezogenen Einrichtungen und Einnahmen (Packhäuser, Hafen-, Pfahl, Brücken-, Baken- und Liegegeld) direkt dem Staate zuflossen. Ebenso verhielt es sich in Tönning und Friedrichsstadt (HOOP, E., 1985, S.65)

Auch wenn es nirgends detailliert dargestellt ist, muss davon ausgegangen werden, dass sich durch den Bau und Betrieb des Kanals eine Reihe neuer Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung eröffneten. Genannt seien hier die Pferdehalterei, die Schankwirtschaften bei den Schleusen, die Kaufleute und Schiffsbauer (vgl. auch RAUTER, 1950, S. 23).
Für die beginnende Industrialisierung der Region dürfte der Eider-Kanal günstige Voraussetzungen geliefert haben, so z.B. für die Gründung des ersten eisenschaffenden und -verarbeitenden Werkes in Schleswig-Holstein - die Eisenschmelzerei und -gießerei Carlshütte in Büdelsdorf bei Rendsburg 1827 (vgl. DEGN, CH., 1995, S. 218).
In einer Festschrift zum 100-jährigen Kanaljubiläum 1884 wird zusammenfassend folgendes Resüme zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Region gezogen:

‚Ob und inwieweit die wirthschaftlichen Vortheile, die man sich vor hundert Jahren und vorher aus der Anlage des Kanals, speziell für die an dem Unternehmen zunächst betheiligten Städte: Rendsburg, Tönning, Friedrichstadt und Kiel versprochen, zur Verwirklichung gelangt sind, das kann hier nicht näher untersucht werden (...).So viel jedoch lässt sich behaupten, dass zum Aufblühen der Karlshütte, zur Entwicklung des in Rendsburg betriebenen umfangreichen Holzgeschäfts und zur Förderung anderer gewerblicher Unternehmungen der Kanal wesentlich beigetragen hat.' (wiedergegeben in: STADT RENDSBURG, 1984, S.19)


Wirtschaftliche Bedeutung des Kanals

Der Kanal war Ausdruck eines Jahrhunderte alten Anliegens, die schwierige Umsegelung Skagens zu umgehen und einen kurzen, ungefährlichen Wasserweg zwischen Ostsee und Elbe bzw. Nordsee zu schaffen.
Zielsetzung war ursprünglich, der typisch merkantilistische Auffassung der damaligen Zeit folgend, den Kanal nur den einheimischen Schiffen zur Verfügung zu stellen. Da der Frachttransport zum großen Teil von Holländern und Engländern durchgeführt wurde, erwies sich dieser Anspruch sehr schnell als unwirtschaftlich, so dass diese Beschränkung bereits am 4. Mai 1785 - zunächst nur für 6 Jahre - aufgehoben wurde (STOLZ, G., 1980, S.46 / STADT RENDSBURG, 1984, S.14). Die Kanalzölle waren bis zur ihrer vollständigen Aufhebung im Jahre 1867 (STADT RENDSBURG, 1984, S.16) Gegenstand ständiger Diskussionen zwischen der dänischen Regierung und den anliegenden Städten.
Handels- und Wirtschaftsinteressen der zuständigen dänischen Regierung bewirkten ein ständiges Abwägen der für die Kanalpassage erhobenen Gebühren und Zölle mit den Sundzöllen, die bei der Umfahrung von Skagen erhoben wurden, und den regionalen Wirtschaftsinteressen1.

Dies schlägt sich in den häufigen Änderungen der Zollbedingungen und Gebührenordnungen durch die zuständige Kanalkommission in Kopenhagen nieder2.
Beispielhaft werden hier einige Stationen aufgezeichnet:
1792:
(datiert vom 15. Juni 1792) neue Kanalzollverordnung, die die Tarife in Konkurrenz zu den Kosten beim Straßentransport zwischen Hamburg Lübeck sowie zum Sundzoll taxierte (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.42f)
1795:
Zollerleichterung, da jetzt Schiffe, die nur Bereich der Obereiderseen bis Fohrde befuhren, keinen Kanalzoll zahlen mussten (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.83)
1825:
Reduzierung des Kanalzolls beim Transport von Kornwaren für diverse Gutsbesitzer (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.84)
1840: Ausdehnung der 1825 eingeführten Erleichterungen für die Gutsbesitzer
1841:
weitere Begünstigung für die streckenweise Benutzung des Kanals (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.83)
1842:
neue Zollverordnung vom 23. März, die die Kanalzölle an den Sundzoll anglich und eine Zollfreiheit für alle Produkte des zollpflichtigen Inlandes (Dänemark u. Schleswig-Holstein) beinhaltete (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.57, 58)
1843:
Einführung eines sog. ‚Canallastgeld' (= Benutzungsgebühr) als Reaktion auf die nach Senkung der Zölle deutlich zurückgegangenen Einnahmen (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.59)
1867:
Aufhebung aller Durchfuhr- und Transitzölle aufgrund einer Verordnung vom 18. April (STADT RENDSBURG, 1984, S.16) Ging man anfangs davon aus, dass besonders die ‚feinen und kostbaren Güter' aus den asiatischen Handelbeziehungen durch den Kanal transportiert würden, zeigte sich bald eine andere Zusammensetzung des Warenspektrums:


‚Transportiert wurden (...) hauptsächlich voluminöse Güter wie Tabak, Korbmacherarbeit, Tonnenbänder Leder, Fischbein, Färberwaren, Töpferprodukte, Brunnenwasser, Wolle, Kienruß, Wein, Branntwein, Essig, Zinn, Blech, Papier, Apothekerwaren und Nürnberger-Waren.' (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.44)


Anfangs erwirtschaftete der Kanal Überschuss, aber 1884 heißt es in einer Schrift:

‚Gegenwärtig jedoch betragen, infolge der im Jahre 1869 bewirkten durchgreifenden Herabsetzung der Kanalabgaben die Gesammteinnahmen nur 35-40.000 M, denen die Ausgaben mit jährlich 90.000 M gegenüberstehen. Allein für die unausgesetzt stattfindenden Verbesserungen des Fahrwassers in der Untereider wie im Kanal durch Baggerungen kommen jährlich rund 40.000 M zur Verwendung. Infolge dieser Korrektionen ist Rendsburg gegenwärtig für Schiffe bis zu 41/2m Tiefgang zu erreichen.' (STADT RENDSBURG, 1984, S.13, 14)

Trotz immer noch steigender Durchfahrtszahlen war mit zunehmender Verdrängung der Segelschiffe durch Dampfschiffe, die i.d.R. größer waren und nicht getreidelt werden mussten, das baldige Erreichen der Kapazitätsgrenzen für den Kanal absehbar. Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts fuhren viele Schiffe wiederum den alten Umweg um Skagen (STOLZ, G., 1980, S.47). Schon 1860 wird die Zukunft des Kanals eher pessimistisch beurteilt und die Einschätzung formuliert, dass er den Bedürfnissen der Schifffahrt nicht mehr entsprechen konnte (vgl. RAUTER, 1950, S. 22).

Seit 1864 setzte sich Reichskanzler Bismarck für den Bau eines neuen, den sich ändernden Rahmenbedingungen angepassten Nord-Ostsee-Kanals ein (STADT RENDSBURG, 1984, S.20). Die politische Situation während der über hundertjährigen Betriebsphase (1784 bis 1895) des Kanals war gekennzeichnet von den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Herzogtümern und der dänischen Regierung. Die 1853 erfolgte Umbenennung des Schleswig-Holsteinischen Kanals in ‚Eider-Canal' ist Ausdruck dieser komplizierten politischen Verhältnisse3. Noch heute gilt der Schleswig-Holsteinische-Kanal oder Eider-Kanal als die bedeutendste künstliche Wasserstraße für seegehende Schiffe seiner Zeit.


1. ‚Von jeher zeigte sich die dänische Regierung bemüht, eine ernsthafte Konkurrenz des Kanals gegenüber der Sundpassage zu vermeiden. In Folge dessen wurden die Kanalpassagen von Anfang an höher normirt, als des Sundzoll.' Zitat aus dem Jahre 1884 (STADT RENDSBURG, 1984, S.14)
2. Eine ausführliche Schilderung der unterschiedlichen Zoll- und Tarifinteressen beinhaltet STADT RENDSBURG, 1984, S.14ff
3. Ausführlich setzt sich ein Beitrag von E. J. FÜRSEN mit der Namensgeschichte des Kanals auseinander (FÜRSEN, J., 1983, S. 7ff)