Der Schleswig-Holsteinische Kanal / Eiderkanal - Nübbel
Kulturlandschaft-historisches Gutachten von Barbara Runtsch, Hamburg, September 2001
Kanalpassage
Die Durchquerung des Eider-Kanals war zunächst, zur Zeit der Segelschiffe, stark abhängig von den natürlichen Voraussetzungen. So dauerte ein Schleusvorgang im Abhängigkeit von den Windverhältnissen zwischen 15 und 30 Minuten (STADT RENDSBURG, 1984, S.13). Für den gesamten Wege von Holtenau bis Tönning wurden drei bis vier Tage benötigt.
Mit Einsatz von Dampfschiffen reduzierte sich die Dauer der Gesamtfahrt auf ca. 15 Stunden (Stolz, G., 1980, S.45).
Es muss davon ausgegangen werden, dass der Kanal bei ungünstiger Winterwitterung mit Eisgang und Stürmen 2 bis 3 Monate jährlich nicht befahren werden konnte (v. LUND (1851), 1986, S.97f).
Der Kanal war schiffbar für Schiffe bis zu 40-50 Kommerzlast. Für Schiffe, die über 12 Kommerzlasten (ca. 60 cbm) groß waren, bestand eine Lotsenpflicht (STADT RENDSBURG, 1984, S.13).
Das Fahrwasser war markiert, wofür die Kanalausführungskommission mit Sitz in Rendsburg zuständig war (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.27). Die Zollangelegenheiten für alle passierenden Ladungen wurden nach strikten Vorgaben der Kanalkommission in Kopenhagen in Rendsburg durch die dort ansässige Kanal-Aufsichtskommission bearbeitet (HOOP, E., 1985, S.67)
In den ersten Jahren nach Eröffnung des Kanals 1784 war die Anzahl der den Kanal durchquerenden Schiffe mit 289 im Jahre 1786 und 835 im Jahre 1789 noch relativ gering (CHRISTIANSEN, E., 1991, S.43), wies jedoch deutliche Steigerungsraten auf.
Bis 1830 passierten durchschnittlich jährlich über 2000 Schiffe - bis 1830 insgesamt 94.106 - den Kanal. In den darauffolgenden Jahrzehnten konnte sich diese Zahl fortwährend steigern. Im Jahre 1872 - also bereits nach Aufkommen der Dampfschifffahrt- wurden 5.222 durchfahrende Schiffe registriert (STOLZ, G.; 1980, S.45f). Insgesamt befuhren während seines 100-jährigen Bestehens 284.000 Schiffe den Eider-Kanal (STOLZ, G., 1980, S. 43).
Das Verkehrsaufkommen im Kanal wurde auch von politischen Ereignissen determiniert, so führten z.B. die napoleonischer Besetzungen (1802) und die englischen Blockaden (1803) zu einer deutlichen Zunahme des holländischen Handelsverkehrs durch den Kanal und weiter bis Kopenhagen. (STADT RENDSBURG, 1984, S.19)
Seit den 1870er Jahren bestanden regelmäßige Dampfschifffahrtsverbindungen zwischen Ostseeanliegern und Bremen und Hamburg durch den Kanal, so eine Linie Kiel-Bremen, eine Linie Malmö-Kopenhagen-Hamburg, eine Linie Danzig-Lübeck-Bremen (STADT RENDSBURG, 1984, S.19). Das Aufkommen der Dampfschiffe und die Zunahme der Schiffsgrößen leiteten ab der Mitte des 19.Jh. den Rückgang der Bedeutung des Kanals ein.
Ein anschauliches Bild von den Eindrücken und dem Leben am Kanal, die eine Durchfahrt des Eider-Kanals zum Ende des 19. Jahrhunderts mit sich brachte, vermittelt die Reiseschilderung der Brüder Verne.
1881 unternahmen die Brüder Jules und Paul Verne eine Kreuzfahrt, die sie auf dem Weg von Le Tréport an der Somme-Mündung in Frankreich über England, Rotterdam, Vlisingen, Wilhelmshaven, Kiel nach Kopenhagen auch durch den Eider-Kanal führte. Sie starteten in Tönning am 16. Juni 1881 und erreichten Kiel am 17. Juni 1881 (PREUß, G., 1999, S.37ff). Da ihr Schiff, die Dampfyacht ‚Saint- Michel III', zur Befahrung der Schleusenkammern des Eider-Kanals etwas zu lang war, musste es vor der Kanalpassage in Tönning um das Bugspriet gekürzt werden. In den Aufzeichnungen von Paul Verne heißt es:
Von Rendsburg waren wir am 17. Juni Morgens acht abgefahren, sahen stromaufwärts von der Stadt das große Povinzialgefängniß, und langten um fünf Uhr Nachmittags auf der Rhede von Kiel an. Wir mussten inzwischen sechs Schleußen, zwei Eisenbahn-Drehbrücken und vier oder fünf gewöhnliche Zugbrücken passiren. Die letzteren zeichnen sich durch ihre erstaunliche Einfachheit aus: zwei Männer, auf jeder Seite einer; genügen, um dieselbe mit Hilfe eines sorgfältig berechneten Systems von Gegengewichten in wenigen Secunden zu öffnen und zu schließen.
Was beginnt man aber, während die Yacht durch das Kammerwasser gehoben und gesenkt wird, je nach Seite der Wasserscheide, auf der man sich befindet? Nun man lustwandelt auf den, sauber wie Parkwege unterhaltenen Leinpfaden, man legt sich träumend in den dichten Schatten, der mit erquickender Kühlung labt. Freundliche Schänken, meist da errichtet, wo der Leinpfad einen Winkel bildet, laden mit ihren angestrichenen Holztischen zu einem Glase vortrefflichen, schäumenden Bieres ein. (...) Ich erwähnte schon, daß die Eider sehr viel Krümmungen macht, daneben wird sie auch von zahlreichen Galioten und kleinen Touristendampfern mit Musik auf dem Deck befahren. Von Rendsburg nach Kiel wird sie, mit Ausnahme weniger Stellen, ganz außerordentlich schmal. Das macht die Schwenkungen um die scharfen Winkel besonders schwierig und man ist gezwungen, immer eine Stange zur Hand zu haben, um das Schiff vom Ufer anzuhalten.' (zitiert in: PREUß, G., 1999, S.42 - 45)