Der Schleswig-Holsteinische Kanal / Eiderkanal - Königsförde

Kulturlandschaft-historisches Gutachten von Barbara Runtsch, Hamburg, September 2001



Abschnitt Königsförde (östlich Pfahl VIII bis Pfahl XI)

Nachdem eine Eiderschlaufe bei Krummwisch begradigt wurde, orientierte sich die Kanaltrasse im Osten des Untersuchungsgebietes weitgehend am vorgegebenen Eiderlauf, schneidet jedoch südöstlich des Gutes Klein Königsförde wiederum eine kleine Eiderschlaufe ab. Mit dem Schleusenbauwerk entstand bei Klein Königsförde auch eine Brücke über die Eider.

Abschnitt Königsförde bis Kluvensiek (Pfahl XI bis westlich Pfahl XVIII)

Nördlich von Klein Königsförde folgt auf ca. 5,2 km Länge ein völlig neu gegrabener Kanalabschnitt, der sich im Gegensatz zu der restlichen Trasse vollständig von dem Grenzverlauf zwischen Schleswig und Holstein löste. Er kürzte die große, über Sehestedt und durch feuchte Niederungen - mit vermutlich schwierigem Baugrund - führende Eiderschlaufe ab. Nach Querung der Eider bei Kluvensiek folgte ein weiterer kleiner Durchstich.
Die ‚Carte von dem Canal Gang des Schleusen Canals' aus dem Jahre 1782 macht deutlich, dass auch auf hier durchaus bautechnische Schwierigkeiten aufgetreten sein mussten1 . Der Kanal wurde durch Ackerschläge und feuchte Niederungswiesen gegraben und durchquerte den sog. ‚Oster Raader Neuer Teich2' . Flurnamen wie ‚Hof Schlag Raade', ‚Im Weide Brook', ‚In der Groth Wisch', ‚Die Haar Wiese', ‚Die Mühlen Koppel' weisen auf die unterschiedlichen Nutzungen und Bedingungen hin. In dem o.g. Plan deutlich erkennbar sind im Bereich Osterrade besonders markierte bis zu 10 m breite Randstreifen beidseitig des Kanals, die mit der Bezeichnung ‚Folgebedeckung' versehen sind. Es ist liegt nahe, dass hier aus bautechnischen Gründen - zur Abdämmung das Kanals gegenüber dem tiefliegenden Ländereien - diese besonders massive Wallausprägungen erforderlich waren3. Die Wälle sind heute noch als deutlich ausgeprägte Aufhöhungen in der Landschaft erhalten (vgl. Kap. 4.4.1).
Östlich des Gutes Kluvensiek wurde durch den Kanal die Wegeverbindung von Wakendorf über Osterrade nach Sehestedt unterbrochen und musste über die Brücke an der Kluvensieker Schleuse geführt werden. Die Verbindungsallee zwischen den Herrenhäusern in Osterrade und Kluvensiek wurde ebenfalls zerschnitten.
Die in diesem Abschnitt von den Baumaßnahmen betroffenen Ländereien gehörten zu den Gütern Königsförde, Osterrade und Kluvensiek.

Abschnitt Kluvensiek bis Steinwehr (westlich Pfahl XVIII bis Pfahl XXX)

Erst westlich des Gutes Kluvensiek folgte die Kanaltrasse wieder dem von der Natur vorgegebenen Eidertal und beachtete damit auch die Grenze zwischen Schleswig und Holstein. Das Kanalbett war hier aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten - die Eider bildete hier überwiegend einen recht tief eingeschnittenen Talraum - trotz einiger kleinerer Begradigungen noch stark mäandrierend. Westlich der Eiderschlaufe bei Kluvensiek wurde für die abgehängte Eider ein südlich parallel zum Kanal verlaufendes neues Grabenbett angelegt.
Aufwendigere Begradigungsmaßnahmen waren an zwei Stellen nordöstlich und nordwestlich von Steinwehr durchzuführen. Hier wurde eine enge Eiderschlaufe mit feuchter Wiese (‚Die Wiese Eyder Brook') abgeschnitten.
Die in Anspruch genommenen Flächen gehörten zu den Gütern Kluvensiek, Sehestedt und Steinwehr

Weiteren Aufschluss über die Kanalplanungen gibt eine ebenfalls aus dem Jahre 1782 stammende Karte, die die Grunderwerbsflächen darstellt4. Im gesamten Verlauf sind beidseitig des Kanals sind die Treidelwegtrassen deutlich als gelb unterlegte Flächen gekennzeichnet. Neben flächigen Erweiterungen im Umfeld der den Schleusen von Kluvensiek und Klein Königsförde (hier sind z.T. auch heute noch Aufschüttungen vorhanden), sind vor allem die Flächen der oben angesprochenen Randwälle beidseitig des ‚Oster Raader Teiches' markant. Im Gegensatz zu der im vorherigen beschriebenen Darstellung ist hier die Aufschüttung im direkten Teichbereich aufgespart, was jedoch weder der Varendorfschen Karte von 1789-1796 noch den heute anzutreffenden Gegebenheiten entspricht.
Westlich von Kluvensiek sind weitere kleinere Flächen im Übergang zu den steil aufragenden natürlichen Hangböschungen als angekaufte Flächen markiert. Die Funktion dieser Flächen bleibt jedoch unklar.
Die Stimmung, mit der die Kanalpläne im Kirchspiel Bovenau aufgenommen worden waren, beschreibt v. HEDEMANN-HEESPEN (1922, S. 345) folgendermaßen:


‚Das 18. Jahrhundert sieht den Kampf der Gutsbesitzer um den Eiderlauf gegen die Schifffahrt, die die Wehre beseitigen, den Aalfang zerstören, den Wasserstand und damit die Wiesen durch häufige ‚Räumungen' beseitigen will. Die Treidelei stört Heuwerbung und Aalkörbe. 1740 wird den Gütern die Räumungspflicht von der Landesherrschaft auferlegt; 1761-1772 dauern stete Kämpfe darum.'

Die Bauarbeiten am Kanal brachten für das ländliche Leben in Bovenau lebhafte Veränderungen und wohl auch einen kleinen wirtschaftlichen Aufschwung mit sich. Folgende Schilderung ist überliefert:


'Als der Kanal gegraben wurde, herrschte in der Bovenauer Gemeinde ein reges Leben, indem sich auf einem kleinen Fleck derselben zu Zeiten mehrere Tausend Menschen aufhielten. An einigen Stellen, namentlich wo jetzt der Hof Georgenthal steht und zu Kluvensiek waren viele Häuser, theils von Brettern, theils von leichtem Fachwerk erbaut, die einem Flecken glichen. Schlachter, Bäcker, Krüger, Marketender und andere Nahrungstreibende hatten sich von den vielen Arbeitern am Kanal zu nähren ... Auf dem Hof Osterrade war von dem Besitzer eine große Branntweinbrennerei und zu Kluvensiek gleichfalls von dem Besitzer eine Bäckerei eingerichtet ... In den Dörfern hatten die Arbeiter sich bei 20, 30 ja 60 Personen in den Häusern einquartiert ... Wie natürlich ging es auch nicht immer nach Sitte und Ordnung, Zügellosigkeit im Reden und Thun war unter einem solchen Haufen roher Menschen oft an der Tagesordnung.'


(Beilage zum Rendsburger Wochenblatt, Nr. 26 vom 29. März 1884, zitiert in STOLZ, G., 1989, S.22-24)
Nach Aufnahme des Kanalbetriebes wurde zunächst vor allem von den Gutsbesitzern über Beeinträchtigungen und Störungen geklagt. In einer Eingabe aus dem Jahre 1784 beschwert sich Georg Heinrich Hagemann (Eigentümer der Güter Osterrade, Steinwehr und Kluvensiek):


‚daß sich die zu seinen Gütern gehörenden Dörfer auf der den Gutshöfen Osterrade und Kluvensiek gegenüberliegenden Kanalseite lägen, so dass bei starkem Schiffsverkehr, wenn die Brücken über die Kluvensieker Schleuse dauernd offen gehalten werden müssten, seine Leute nicht auf den Gutshöfen zum Hof- und Spanndienst erscheinen könnten.....Gleichfalls verlangte er eine Kompensation für die verlorene Möglichkeit, mit Prähmen auf der Obereider bis zum Osterrader Wald zu fahren, da der abgeschnittene Alteiderarm zu versanden drohte und seine Einmündung in den Kanal mit einer starren Brücke für den Treidelpfad verbaut war, die eine Durchfahrt unmöglich machte.'
(zitiert in: CHRISTIANSEN, E. 1991, S. 68f)


1. Zeugnisse und Schilderungen der Bautätigkeiten, die speziell auf diesen Abschnitt Bezug nehmen, waren leider nicht zu finden.
2. Das Gut Osterrade war lange Zeit für seine ertragreichen Fischteiche bekannt.
3. Bei SCHRÖDER, G., S. 223 findet sich folgende Aussage: ‚Bei Kluvensiek und weiter abwärts mussten durch Dämme auf beiden Seiten die Wiesen gegen Ueberflutungen geschützt werden, während vorher zwischen Flemhuder See und Königsförde, ein Düker dem anliegenden Gebiet die nötige Feuchtigkeit zuführte.'
4. Karte B (1782) Quelle: LAS 402 A2-21
Situations Carte von der Lage des ganzen Canals und zwar angefangen bey den Flemhuder See und continuiret bis am Steinwehrer See enthaltende sämtliche Ländereyen an beiden Seiten des Canals belegen - welche für Königliche Rechnung und zum künftigen Gebrauche angekaufet und acquiriret worden, 1785