Der Schleswig-Holsteinische Kanal / Eiderkanal - Kiel
Kulturlandschaft-historisches Gutachten von Barbara Runtsch, Hamburg, September 2001
GESCHICHTE DES EIDER-KANALS
Seit der Wikingerzeit war der Ostseeraum eine wirtschaftlich wichtige Region mit vielfachen Handelsbeziehungen. Neben Landwegen existierte früh ein zusammenhängendes System an Wasserstraßen, das kontinuierlich durch Maßnahmen zur Schiffbarmachung natürlicher Flüsse und den Bau künstlicher Kanäle optimiert wurde. Der Schwerpunkt lag immer auf Verbindungen zwischen Ostsee und Elbe bzw. Nordsee.
Seit 1398 bestand die sogenannte Stecknitzfahrt zwischen Lübeck und Lauenburg und 1529 wurde mit dem Alster-Beste-Kanal ein Schiffahrtsweg zwischen Lübeck und Hamburg geschaffen1. Die Alsterschifffahrt mit der Mellingburger und der Fuhlsbütteler Schleuse wird zumindest auf das 14. Jahrhundert zurückgeführt2.
Bereits aus dem 16. Jh. sind Überlegungen überliefert, eine direkte Kanalverbindung zwischen Nord-3 und Ostsee auszubauen (vgl. STADT RENDSBURG, 1984, S.9). Dies wird durch ein Zitat aus einem Schreiben des Herzogs Adolf an den Kaiser Maximilian II. vom 16. August 1571 belegt:
Zur Verwirklichung dieses umfassenden Kanalprojektes kam es zunächst nicht. Lediglich wurde zwischen 1693 und 1695 unter König Christian V. von Dänemark die Obereider zwischen Rendsburg und dem Flemhuder See östlich von Königsförde vertieft, um die notwendigen Baumaterialien zum Ausbau der Festung Rendsburg transportieren zu können. Diese Wasserstraße wurde bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts von der gesamten Region zur Prahmfahrt4 genutzt (vgl. STOLZ, G., 1989, S.16).
Politische und wirtschaftliche Voraussetzungen
Unter dem dänischen König Christian VII. (1749-1808) keimte die Diskussion um den Ausbau eines durchgängigen Kanals zwischen Ost- und Nordsee wieder auf (STOLZ, G., 1989, S.16). Anfang der 1770er Jahre wurde eine hochkarätig besetze Kanalkommission mit Sitz in Kopenhagen ins Leben gerufen, die den Kanalbau vorantreiben sollte5. Die wirtschaftspolitischen aber auch militärischen Motive der Kopenhagener Regierung zum Bau des Kanals sind in einer Schrift ‚Aufforderung an meine Mitbürger zur Theilnahme an dem Kanalhandel des Etatsrath Georg Bruyn vom 5. April 1784 dargelegt; dort heißt es:
Erstens. Das Bestreben Handels-Vortheile für sämmtliche dänische Staaten in den Kanals verwickelten politischen, kommerziellen und pekuniären Verhältnissen Europa's zu sichern und insbesondere den Unterthanen neue Wege zu vortheilhaften Unternehmungen anzuweisen.
Zweitens. Der Wunsch, der dänischen Gesammtmonarchie ‚etwas Eigenthümliches' zu verschaffen, da die Erfahrung so oft gelehret habe, dass die besten Handelsunternehmungen, durch Konkurrenz Anderer ihren wert verlieren.
Drittens. Die Absicht, den unter Umständen 300 Seemeilen langen Umweg zwischen Ost- und Nordsee zu verkürzen und die Gefahren der Fahrt zu vermindern.
Viertens. Die Wohltat bei der Fahrt von einem Meere in's andere stets sicher Häfen finden zu können und in Kriegszeiten Schutz für die Schiffahrt zu besitzen.
Fünftens. Förderung der Industrie, Anlage von Fabriken durch die Ermöglichung billigen Ankaufs von Rohstoffen usw.' (zitiert in: STADT RENDSBURG, 1984, S.10)
1774 wurde eine Kanal-Ausführungskommission mit Sitz in Kiel eingesetzt6, um die Kanalpläne zu konkretisieren. Zunächst wurden verschiedene Kanaltrassen zwischen Ostsee und Unterelbe diskutiert; z.B. eine Linie Glückstadt / Stör / Bordesholmer See / Eider-Schulensee / Kieler Hafen oder eine Linie Stör / Untereider bis Rendsburg / Flemhuder See / Levensau zur Kieler Förde. (STOLZ, G., 1989, S.18, 19)
Aus ökonomischen und technischen Gründen verzichtete man auf den Anschluss an die Unterelbe und wählte die sog. Levensau-Eider-Linie, die von Holtenau über den Flemhuder See nach Rendsburg und durch die Untereider bis zur Eidermündung westlich von Tönning verlief. Die Trasse folgte somit in großen Abschnitten dem Grenzverlauf zwischen den Herzogtümern Schleswig und Holstein7. Damit war auch der ursprüngliche Name ‚Schleswig-Holsteinischer Kanal' als politische und geografische Bezeichnung begründet.
Ab 1777 begannen die Vorbereitungen zum Ausbau des Kanals zwischen Holtenau und Rendsburg.
In einem Königlichen Erlass vom 07.04.1777 an die Amtmänner in Kiel und Kronshagen sowie an die betroffenen Gutsbesitzer8 wurden die Adressaten aufgefordert:
'daß sie das zum Canal erforderliche Land gegen billige (angemessene) Bezahlung unweigerlich abzutreten haben und daß insbesondere der Besitzer des adeligen Gutes Knoop verpflichtet sein soll, eine zu seinem Gute gehörige Wassermühle nebst einem damit verbundenen Wirtshaus niederzulegen' (zitiert in STOLZ, G., 1989, S.19)
Gleichzeitig wurde eine Kanal-Taxationskommission zur Behandlung sämtlicher Entschädigungsansprüche eingesetzt. Im selben Jahr begann man mit der notwendigen Vertiefung und teilweisen Begradigung der Untereider zwischen Rendsburg und Klingt. Zum Einsatz kamen Löffelbagger mit je zwei Löffeln - sog. Muddermaschinen.
1. vgl. HAPPACH-KASAN, CH. / HANSEN, D., 1996, S. 5
2. vgl. WREDEN, R., 1998, S. 28
3. Die Nordsee wird zu dieser Zeit als ‚West Sehe' bezeichnet
4. Prahm = flacher Lastenkahn
5. Mitglieder der Kanalkommission waren: Kronprinz Friedrich (später Friedrich VI. - Leitung od. zumindest Teilnahme), Erbprinz Friedrich (Halbbruder des König Christian VII), Geheimrat Graf von Bernstorff, Geheimrat Moltke, Geheimrat Schack-Rathlau, Geheimrat von Schimmelmann (Vater u. Sohn), Geheimrat Inel, Geheimrat von Stemann, Geheimrat von Hoeg-Guldberg sowie die Konferenzräte Carstens und Prätorius (STADT RENDSBURG., 1984, S.10)
6. Mitglieder der Kanalausführungskommission waren: Prinz Carl von Hessen (Vorsitz, Statthalter der Herzogtümer), General-Landmesser-Direktor Generalmajor von Wegner, Ingenieur-Kapitäne von Peymann und Detmer, Landrath von Schilden-Haseldorf und später Konferenzrat von Stemann, Kanzleiassessor Janßen (Sekretär und Kassierer) (STADT RENDSBURG, 1984, S.10)
7. Beide Herzogtümer bilden nach ihrer Vereinigung ab 1773 mit Dänemark einen Gesamtstaat.
8. Beansprucht wurden Ländereien der Güter Seekamp, Knoop, Schwartenbek, Warleberg, Groß-Königsförde, Sehestedt, Groß-Nordsee, Schinkel, Osterrade, Kluvensiek