Der Schleswig-Holsteinische Kanal / Eiderkanal - Holtenau

Kulturlandschaft-historisches Gutachten von Barbara Runtsch, Hamburg, September 2001



Bauliche Veränderungen
Während der Betriebsphase des Kanals wurden eine Reihe von baulichen Veränderungen vorgenommen, die sich zum einen aus den Anforderungen und der Aufrechterhaltung des Kanalbetriebes selbst ergaben - wie z.B. Reparaturen und die Anlage weiterer Lösch- und Ladeplätze - oder aus Änderungen im Umfeld sowie kriegerischen Auseinandersetzungen resultierten.
Während der napoleonischen Kriege waren die Kanalbrücken bei Holtenau, Knoop und Landwehr 1814 aus strategischen Gründen zerstört, jedoch nach Beendigung des Kriegsgeschehens sofort wieder aufgebaut worden. 1823-1825 erfolgte der Neubau der stark reparaturbedürftigen Holtenauer Schleusenanlage. Die Straßenbrücke wurde in diesem Zuge durch eine moderne Drehbrücke ersetzt. Ab 1841 wurden diverse Reparaturen an den anderen Schleusen durchgeführt. Als erstes geschah dies an der Rathmannsdofer Schleuse mit dem im vorherigen angesprochenen neuartigen Winterreparatur-Verfahren. 1849/50 ersetzte man die hölzernen Trägerportale der Klappbrücke in Kluvensiek durch eine gusseiserne Konstruktion, die in der Carlshütte in Büdelsdorf bei Rendsburg angefertigt worden war. Die heute noch vor Ort erhaltenen Portale tragen die Initialen des König Friedrich VII. von Dänemark.

Gleichartige Eisenportale wurden um 1870 auch an der Schleusenbrücke in Klein Königsförde errichtet.
Mit der Einführung des neuen Verkehrsmittels ‚Eisenbahn' in Schleswig-Holstein ergab sich der Bedarf nach weiteren Brückebauwerken über den Kanal. So wurde 1855 eine hölzernen Brücke mit einem Mittelteil als eiserne Drehbrücke für die Schleswigsche Bahn in Rendsburg errichtet. 1881 machte die Kiel-Flensburger Bahnstrecke eine ähnliche Brückenkonstruktion bei Neuwittenbek erforderlich.

ENTWICKLUNG NACH DEM BAU DES NORD-OSTSEE-KANALS 1895

Auswirkungen des Neubaus auf den Eider-Kanal
Nach sieben Jahren Bauzeit wurde 1895 der bis heute betriebene Nord-Ostsee-Kanal (NOK) - damals Kaiser-Wilhelm-Kanal - eröffnet. Seine Trassierung orientierte sich zwischen Kiel und Rendsburg grob an dem vom Eider-Kanal vorgegeben Verlauf. Westlich von Rendsburg folgt er nicht dem sich stark windenden Lauf der Untereider sondern knickt nach Südwesten ab und führt zur Unterelbe bei Brunsbüttel. Die Zahl der Schleusen wurde auf jeweils eine an den Kanalenden reduziert. Die Gesamtlänge des künstlichen Wasserweges konnte somit von ca. 180 km auf ca. 99 km verringert werden.
Zwischen Kiel und Rendsburg wurde das Gewässerbett den Anforderungen der moderneren Schiffe angepasst, um ein mehrfaches verbreitert und insgesamt begradigt. Dabei wurden große Abschnitte des Eider-Kanals zerstört, entweder direkt durch Einbeziehung des alten Kanals in die neue Trasse oder durch Verbringung des Aushubs im alten Kanalbett.
Dem Neubau fielen die Schleusen in Holtenau, in Knoop und in Rendsburg zum Opfer. Dort, wo die alten Schleusen den neuen Kanal nicht störten, blieben sie in der Landschaft stehen - so in Rathmannsdorf, in Königsförde und in Kluvensiek. Nach Eröffnung des NOK werden die einst von den Gutsbesitzern für den Bau des Eider-Kanals abgetretenen Flächen zurückübereignet, so 1902 in Steinwehr und 1904 im Bereich Kluvensiek1.
Dort wo noch wasserführende Abschnitte des Eider-Kanals erhalten waren, wurden sie von Anglern für ihre Zwecke entdeckt.

Erhaltene Abschnitte und Bauwerke des Eider-Kanals
Heute zeigt sich der Eider-Kanal nur noch in einzelnen, meist kurzen Abschnitten und einigen Gebäudekomplexen in der Landschaft bzw. in den Stadtbildern von Kiel- Holtenau und Rendsburg. Folgende Elemente sind erhalten:

  • kleiner Kanalabschnitt (heute Betriebshafen) und Packhaus an der Kanalstraße in Holtenau
  • ca. 2 km langer Kanalabschnitt mit Schleuse bei Rathmannsdorf
  • ca. 1 km lange Kanalschleife bei Rosenkranz
  • ca. 1 km langer Abschnitt mit Schleuse und Schleusenwärterhaus bei Klein Königsfördee
  • ca. 5,7 km langer Abschnitt mit Schleuse, Schleusenwärterhaus und Pferdehalterei bei Kluvensiek
  • Packhaus, Kaimauer und Schleusenwärterhaus in Rendsburg

Die Schleusenanlage in Kluvensiek war, trotz der 1919 ausgeführten Teilüberbauung mit einem Turbinenhaus, in ihren Grundstrukturen und ihres landschaftlichen Umfeldes bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts weitgehend ungestört erhalten und verfügte über einen hohen kulturgeschichtlichen Zeugniswert. Die bauliche und landschaftliche Situation erfuhr durch den Ausbau der Landesstraße (L293) von Bovenau nach Sehestedt im Jahre 1963 schwerwiegende Beeinträchtigungen. Der bis dahin von der Schleusenbrücke bestimmte Straßenverlauf wurde nach Westen verschwenkt, Teile der erhaltenen Kanalmauern wurden abgetragen bzw. unter der Straße begraben und die Kanalgänge abschnittsweise zugeschüttet. Aus Kostengründen war auf die Realisierung der ursprünglich geplanten Brücke verzichtet worden (vgl. JUNGJOHANN+HOFFMANN+KRUG, 1982, S. 82).
Da die anderen erhaltenen Schleusen abseits aktueller Verkehrswege liegen, blieben sie von solch gravierenden Eingriffen verschont - hier führten mangelnde Pflege und der ‚Zahn der Zeit' zu Verfallserscheinungen. Die Gewässerabschnitte, unterliegen, sofern nicht von Anglern unterhalten, natürlichen Verlandungsprozessen.


1. mündl. Angaben von Hubertus Hoenk, Kluvensiek.